Nach der Veränderung der Eingangsvoraussetzungen für das deutsche Seelotswesen im Rahmen der Umsetzung der STCW-Richtlinien wurde zur Sicherung der hohen erforderlichen Qualifikation der Lotsenaspiranten die bisherige umfangreiche medizinische Untersuchung um einen psychologischen Untersuchungsteil ergänzt (§3, Abs. 2 Seelotsenuntersuchungsverordnung, SeeLotUntV).
Dieser dient der Überprüfung der für die Tätigkeit des Seelotsen erforderlichen mentalen Fertigkeiten und Eigenschaften. Die entsprechenden Anforderungen an die Lotsentätigkeit wurden von einer Expertengruppe, bestehend aus Vertretern der Bundeslotsenkammer (BLK), des Bundesverbandes der See- und Hafenlotsen e.V. (BSHL), der Aufsichtsbehörden sowie des Seeärztlichen Dienstes definiert und in der Folge in psychologische Testverfahren umgesetzt.
Mit Inkrafttreten der entsprechenden Ergänzungen und Änderungen in der SeeLotUntV wird das Verfahren seit November 2004 für alle Lotsenbewerber eingesetzt und von dem DLR ("Deutsches Zentrum für Luft- und Raumfahrt") im Auftrag des Seeärztlichen Dienstes durchgeführt.
Untersucht werden relevante Aspekte der Leistungsfähigkeit: Arbeitstempo und Arbeitsgenauigkeit, Räumliches Vorstellungsvermögen, Konzentrationsfähigkeit, logisches Denken und Problemlösefähigkeiten sowie Mehrfacharbeitsfertigkeiten.
Zusätzlich wird erfasst, ob ein Lotsenbewerber über ein angemessenes Maß an Leistungsbereitschaft und Entscheidungsverhalten sowie über die erforderliche soziale Kompetenz und psychische Belastbarkeit verfügt.
Die beschriebenen Merkmale werden im Verlauf eines Untersuchungstages mittels standardisierter, psychologischer Testverfahren und einem Gespräch überprüft. Ausführliche Instruktionen und Übungen erfolgen jeweils unmittelbar vor der Bearbeitung der Testverfahren; darüber hinausgehende Vorkenntnisse oder Vorübungen sind nicht erforderlich, ja sogar teilweise kontraproduktiv.
Bewerber sollten sich am Untersuchungstermin jedoch in ausgeruhter körperlicher Verfassung befinden; dies ist insbesondere bei längeren Anfahrten zu berücksichtigen.
Die Untersuchung ist nicht auf eine „Bestenauslese“ ausgerichtet, sondern es geht vielmehr um die Sicherstellung von Mindestvoraussetzungen.
Die Bestehensrate des Verfahrens weist dies dementsprechend aus: Seit 2004 haben ca. 90% der Bewerber ihre Untersuchung positiv absolviert.
Für die Bearbeitung der Testverfahren bedeutet dies: Die Leistungen und Kompetenzen eines Bewerbers sollten im Vergleich zu seiner Alters- und Berufsgruppe zumindest im durchschnittlichen Bereich liegen.
Wichtig ist, dass in allen Leistungs- und Kompetenzbereichen die Anforderungen erfüllt sein müssen; es reicht z.B. nicht aus, einige Teile des Verfahrens oberhalb der Anforderungen zu erfüllen und andere Teile dafür gar nicht oder aber unterdurchschnittlich. So macht es zum Beispiel keinen Sinn, einen Bewerber zu akzeptieren, der zwar ein hohes Maß an sozialer Kompetenz besitzt, aber nicht belastbar ist. Benötigt werden Bewerber, die sowohl belastbar, als auch sozial kompetent sind. An dieser Stelle sei erwähnt, dass ein gewisses Maß an Nervosität und Anspannung in der Untersuchung durchaus üblich und normal, ja, der Leistungsdarbietung sogar dienlich ist.
Auch wenn überdurchschnittliche Leistungen nicht gefordert werden, so sollten die gestellten Anforderungen nicht unterschätzt werden.
Es ist schon wichtig, die Testverfahren engagiert und konzentriert zu bearbeiten! Jeder Bewerber sollte unbedingt versuchen, seine Bestleistung abzurufen. Dabei wird es immer wieder vorkommen, dass ein Test nach Ablauf der Vorgabezeit auch bei größtem Bemühen nicht zu Ende bearbeitet werden konnte. Dies ist bei psychologischen Testverfahren jedoch durchaus üblich; es gibt in den meisten Tests einfach sehr viel „Luft nach oben“ oder besser: „Wasser unter dem Kiel“. Selbst wenn man also nur weniger Aufgaben eines Tests bearbeitet hat, kann man diesen trotzdem bezüglich der Anforderungen erfüllt haben!
Die Testbearbeitungen der Bewerber werden nach feststehenden Regeln im direkten Anschluss an die psychologische Untersuchung ausgewertet und die Ergebnisse in einem Kurzbefund zusammengefasst. Es erfolgt eine Bewertung nach den Stufen „gut geeignet“, „befriedigend geeignet“, „geeignet“ oder „nicht geeignet“. Der Befund wird dem zuständigen Seeärztlichen Dienst der See-Berufsgenossenschaft zugeführt und fließt in die Gesamtbeurteilung der Tauglichkeit durch den Seeärztlichen Dienst der See-Berufsgenossenschaft ein.
Die psychologischen Untersuchungen werden unabhängig bzw. separat von den seeärztlichen Untersuchungen etwa alle 3 Wochen angeboten. Zu einem Untersuchungstermin können maximal sechs Bewerber eingeladen werden. Der Untersuchungstag beginnt immer um 09:00 Uhr und kann bis 18:00 Uhr andauern. Bei frühzeitiger Nachfrage können ggf. auch Ausweichtermine vereinbart werden.
Zur Untersuchung müssen folgende Formulare ausgefüllt und unterschrieben mitgebracht werden:
der biographische Angabebogen, die sogenannten Zusatzfragen sowie die Erklärung zum Datenschutz (die entsprechenden Formulare erhalten Bewerber von den Wasser- und Schifffahrtsdirektionen Nord und Nordwest als zuständige Aufsichtsbehörden bzw. den seeärztlichen Untersuchungsstellen).
Ein gültiger Ausweis sowie, falls erforderlich, eine Sehhilfe (Lesebrille) sollten ebenfalls mitgebracht werden.
Der Preis für die Untersuchung beträgt derzeit € 480,- zzgl. MwSt. und ist vor Ort in bar zu entrichten.
Für die Verpflegung muss jeder Bewerber selber Sorge tragen.
Dipl.-Psych. D. Grasshoff
dietrich.grasshoff(at)dlr.de
040-51309641 (berufl.)
04101-208448 (priv.)
Dipl.-Psych. Dr. D. Stelling
dirk.stelling(at)dlr.de
040-51309627 (berufl.)
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